Rundfunkanstalten ziehen zunehmend IP-basierte Audio-Workflows in Betracht und nehmen diese an und entfernen sich damit von der traditionellen SDI-Infrastruktur. Dieser Wandel – angetrieben durch Standards wie ST 2110, AES67 und Dante – verspricht mehr Flexibilität und Effizienz in der Audioproduktion und -verteilung. Allerdings stellt der Übergang für Rundfunkanstalten, die sich an diese neuen Technologien anpassen, sowohl Chancen als auch Herausforderungen dar.
Der Übergang zu Audio over IP (AoIP) im Rundfunk bietet erhebliche Vorteile in Bezug auf Flexibilität und Skalierbarkeit. SMPTE ST 2110, eine Reihe von Standards für professionelle Medien über IP-Netzwerke, hat sich als ein wichtiger Treiber dieses Wandels herauskristallisiert, zusammen mit spezialisierten Protokollen wie Dante und NDI. „ST 2110-Workflows haben sich aufgrund ihrer Fähigkeit, hochwertige Audio- und Videostreams über IP-Netzwerke zu liefern, an Popularität gewonnen und bieten Rundfunkanstalten Flexibilität und Effizienz“, sagte Chris Phillips, Technical Applications Engineering bei Sennheiser.
Diese Flexibilität ermöglicht es Rundfunkanstalten, Audiosignale dynamisch zu routen und ihre Infrastruktur an sich ändernde Produktionsbedürfnisse anzupassen. IP-basierte Systeme können auch die Kabelführung vereinfachen und eine zentralere Verwaltung von Audioressourcen ermöglichen.
Trotz dieser Vorteile stehen viele Rundfunkanstalten vor Hürden bei der Umstellung. „Da immer mehr Rundfunkanstalten die Vorteile von IP nutzen wollen, sind die größten technischen Herausforderungen historischer Natur; viele Rundfunkanstalten verfügen bereits über SDI-Infrastrukturen, die gute Arbeit leisten, und die Mehrheit hat weder das Budget noch die Motivation, eine neue IP-Infrastruktur von Grund auf neu zu bauen“, sagte Henry Goodman, Director of Product Management bei Calrec.
Der Übergang erfordert auch neue Fähigkeiten und Kenntnisse von Rundfunktechnikern, die nun neben traditionellen Audiotechnik-Prinzipien auch Netzwerk-Konzepte verstehen müssen. Diese Lernkurve kann steil sein, insbesondere für kleinere Rundfunkanstalten mit begrenzten Ressourcen. Eine weitere Herausforderung ist die Sicherstellung einer geringen Latenz, die für Live-Übertragungen entscheidend ist. Während IP-Netzwerke im Vergleich zu traditionellen SDI-Setups zusätzliche Latenzzeiten verursachen können, können Fortschritte in der Netzwerktechnologie und ein sorgfältiges Systemdesign diese Probleme mindern.
Viele Rundfunkanstalten implementieren Hybridsysteme, die IP- und SDI-Technologien kombinieren, um die Herausforderungen eines vollständigen IP-Übergangs zu bewältigen. „Die meisten gehen langsam auf IP um und implementieren Hybridsysteme, die IP-Gateways und -Bridges verwenden, um den Übergang zu erleichtern“, sagte Goodman. Dieser Ansatz ermöglicht es Rundfunkanstalten, ihre bestehende SDI-Ausrüstung zu nutzen und gleichzeitig schrittweise IP-basierte Komponenten einzuführen.
Diese Hybrid-Setups bieten eine pragmatische Lösung für Einrichtungen, die von der IP-Technologie profitieren wollen, ohne eine komplette Infrastrukturerneuerung durchführen zu müssen. „Eine wachsende Zahl von Sendern und Produktionsdienstleistern versucht, ihren Gerätepool zu „verkleinern“, was Open-Standard-IP zu einer wünschenswerten Netzwerklösung macht“, sagte Chris Scheck, Head of Marketing Content bei Lawo.
Hybridsysteme können unmittelbare Vorteile bieten, wie z. B. erhöhte Routing-Flexibilität und reduzierte Kabelführung, und gleichzeitig den Weg für einen umfassenderen IP-Übergang in der Zukunft ebnen. Sie ermöglichen es Rundfunkanstalten, IP-Elemente einzuführen, die den größten Nutzen bieten, wie z. B. Routing und Distribution, während SDI für andere Teile des Workflows beibehalten wird.
IP-Gateways sind Schlüsselkomponenten in diesen Hybrid-Setups, die zwischen SDI- und IP-Signalen umwandeln. Diese Geräte ermöglichen es Rundfunkanstalten, neue IP-basierte Geräte in ihre bestehende SDI-Infrastruktur zu integrieren und so eine Brücke zwischen den beiden Technologien zu schlagen.
Die Implementierung von Hybridsystemen bringt jedoch auch eigene Herausforderungen mit sich. Die Sicherstellung einer nahtlosen Interoperabilität zwischen IP- und SDI-Komponenten erfordert eine sorgfältige Planung und Systemgestaltung. Rundfunkanstalten müssen auch berücksichtigen, wie Signale sowohl im IP- als auch im SDI-Bereich verwaltet und überwacht werden, was möglicherweise neue Tools und Workflows erfordert.
Branchenexperten erwarten eine breitere Akzeptanz und weitere technologische Fortschritte, da IP-basierte Audio-Workflows ausgereifter werden. „Mit der zunehmenden Anzahl von Rundfunkanstalten, die auf ST 2110 umsteigen, steigt die Nachfrage nach Audiolösungen, die mit dem AES67-Standard kompatibel sind“, sagte Phillips. Dieser Trend wird wahrscheinlich weitere Innovationen bei IP-kompatiblen Audiogeräten und -Software vorantreiben.
AES67, ein Standard für die Interoperabilität von Audio über IP, spielt in diesem Ökosystem eine entscheidende Rolle. Er ermöglicht es verschiedenen IP-basierten Audiosystemen, zusammenzuarbeiten und bietet eine gemeinsame Sprache für den Audiotransport über Geräte verschiedener Hersteller.
Die Interoperabilität bleibt ein zentrales Anliegen für Hersteller und Normungsgremien. „Es ist besonders wichtig, dass alle Rundfunkgerätehersteller auf dem gleichen Stand sind und die Einhaltung sowohl von Netzwerkstandards wie ST 2110 und 2022-7 als auch von AMWA-Empfehlungen wie NMOS IS-04 und IS-05 für NMOS-Stream-Entdeckung und Verbindungsmanagement gewährleisten“, betonte Goodman.
Rundfunkanstalten können eine verbesserte Integration zwischen den Geräten verschiedener Anbieter und nahtlosere Workflows erwarten, da sich diese Standards weiterentwickeln und breite Akzeptanz finden. Diese Standardisierung ist entscheidend, um flexible, zukunftssichere Audioinfrastrukturen zu schaffen, die sich an sich ändernde Produktionsbedürfnisse anpassen können.
Der Umstieg auf IP ermöglicht auch neue Möglichkeiten in der Remote- und verteilten Produktion. Mit IP-basierten Systemen können Rundfunkanstalten Audioressourcen einfacher über mehrere Standorte hinweg teilen, was möglicherweise den Bedarf an Geräteverdopplung reduziert und flexiblere Produktionsmodelle ermöglicht. Dies erleichtert natürlich die Produktion von Sportübertragungen oder Live-Events mit weniger Personal vor Ort, aber es kann auch die täglichen Audio-Workflows vereinfachen.
Mit Blick auf die Zukunft eröffnen die Integration von Cloud-Technologien in IP-basierte Audio-Workflows neue Möglichkeiten. Cloud-basierte Verarbeitung und Speicherung könnten Rundfunkanstalten noch mehr Flexibilität und Skalierbarkeit bieten, so dass sie bei Bedarf zusätzliche Ressourcen für große Produktionen oder besondere Events bereitstellen können.
Doch mit der zunehmenden Verbreitung von IP-basiertem Audio müssen Rundfunkanstalten der Netzwerksicherheit mehr Aufmerksamkeit schenken. Der Schutz von Audiostreams vor unbefugtem Zugriff oder Manipulation erfordert fortlaufende Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen.
Der Umstieg auf IP-basiertes Audio im Rundfunk stellt einen bedeutenden Wandel in der Art und Weise dar, wie Audio produziert, verwaltet und verteilt wird. Während es noch Herausforderungen gibt, treiben die potenziellen Vorteile von Flexibilität, Skalierbarkeit und Effizienz die Überlegungen zu Audio over IP in der gesamten Branche voran. Während Rundfunkanstalten diesen Übergang bewältigen, bieten Hybridsysteme einen praktischen Zwischenschritt, der es Einrichtungen ermöglicht, die Vorteile der IP-Technologie zu nutzen und gleichzeitig den Wert der bestehenden Infrastruktur zu maximieren.
Mit der Weiterentwicklung der Technologie können Rundfunkanstalten, die diesen Übergang erfolgreich bewältigen, erhebliche Vorteile in Bezug auf betriebliche Flexibilität und Content-Delivery-Fähigkeiten erzielen. Auch wenn der Weg zur vollständigen IP-Einführung noch lang sein mag, ist die Richtung klar: Die Zukunft des Rundfunkaudios ist zunehmend IP-basiert.